Merseburg – die Stadt der Zaubersprüche

Die an der Saale gelegene Stadt Merseburg zählt zu den ältesten Städten Mitteldeutschlands. Der seit der Jungsteinzeit besiedelte Ort war im zehnten Jahrhundert die Königspfalz der Ottonen und ist darüber hinaus die Heimat der berühmten Merseburger Zaubersprüche. Diese wurden im Jahre 1841 von dem Historiker Georg Waitz bei einem Besuch der Domstiftsbibliothek entdeckt.

Mysteriös: Die Merseburger Zaubersprüche

Die zwei althochdeutschen Zauberformeln, die in einem eher unscheinbaren Codex gefunden wurden, wurden wahrscheinlich im 10. Jahrhundert von einem unbekannten Verfasser aufgezeichnet. Waitz, der sich schnell über die Tragweite seiner Entdeckung im Klaren war, informierte rasch Jakob Grimm, der die Merseburger Zaubersprüche „als kleinod […] welchem die berühmtesten bibliotheken nichts an die seite zu setzen haben“ bezeichnete. Doch warum war der Fund so eine Sensation? Es sind nur wenige Zaubersprüche aus der althochdeutschen Zeit überliefert und die meisten von ihnen sind christlichen Inhalts, während die Akteure der Merseburger Sprüche heidnische Götter oder Wesenheiten sind. Der erste Spruch umfasst vier Zeilen und ist ein Lösezauber. In ihm lösen weibliche Gottheiten, sogenannte Idisen, die Fesseln eines Gefangenen. Hinsichtlich der Identität dieser Göttinnen herrscht noch Unklarheit und oft bring man sie mit den Matronen in Verbindung.

Emil Doepler: Idisen (ca. 1905)
Emil Doepler: Idisen (ca. 1905). Gemeinfrei.

Der zweite Merseburger Zauberspruch hat neun Zeilen und erzählt von einer magischen Heilung. Der Heilzauber ist wahrscheinlich für Pferde ausgelegt. Der Spruch besteht aus einer einleitenden Geschichte, der historiola sowie einer Beschwörungsformel. In diesem Spruch erfahren wir, dass der Gott Wodan in den Wald reitet, wo sich das Fohlen des Balders übel den Fuß verrenkt. Die anwesenden Göttinnen versuchen sich an der Behandlung, doch nur Wodan verfügt über die magische Kraft, den Fuß des Pferdes zu heilen. In der Forschung kursieren mehrere Theorien, ob man „demo Balderes uolon“ als „das Fohlen des Balder“ oder das „Fohlen oder Pferd des Herrn“ übersetzen kann. Auch ist man sich nicht sicher, wer der mysteriöse Phol im zweiten Spruch sein soll. Die Merseburger Zaubersprüche sind Teil des Merseburger Domschatzes. Dort kann der Besucher im Zauberspruchgewölbe ein Faksimile der Zauberformeln betrachten.

Die Merseburger Zaubersprüche
Die Merseburger Zaubersprüche

Merseburg – Ort reicher Geschichte

Zuerst erwähnt wurde Merseburg im Jahre 881. König Heinrich I. baute die Siedlung zu einer Königspfalz aus. Unter einer Pfalz versteht man einen nicht permanenten Regierungsort. Der mittelalterliche König regierte nicht von einem festen Herrschaftssitz aus, sondern musste in verschiedenen Regionen seines Reiches präsent sein. Eine Pfalz musste groß genug sein, um dem König und seinem Gefolge sowie seinen Gästen Platz zu bieten. Sein Sohn Otto I. gründete nach seinem Sieg auf dem Lechfeld in Merseburg ein Bistum. Der Merseburger Dom wurde im Jahre 1015 errichtet. Das aus drei Flügeln bestehende Schloss, dessen vierter Flügel der Dom darstellt, wurde im Jahre 1470 erbaut. Neben den bereits erwähnten Merseburger Zaubersprüchen entdecken historisch interessierte Touristen dort zahlreiche Ausstellungen und faszinierende Exponate, so zum Beispiel die abgeschlagene mumifizierte Hand des im Jahre 1080 besiegten Königs Rudolf von Schwaben. Dieser stand während des Investiturstreits in Opposition zum exkommunizierten Herrscher Heinrich IV. und ließ sich zum Gegenkönig ausrufen. Dass ihm der Sieg nicht zuteil wurde, wird anschaulich durch das mumifizierte Körperteil belegt.

Grabplatte Rudolfs von Rheinfelden im Merseburger Dom
Die Grabplatte Rudolfs von Rheinfelden im Merseburger Dom ist die älteste Bronzegrabplatte in Mitteleuropa. Foto: Michail JungierekCC BY 2.5

Merseburg – die Sage vom Raben

Die Sage erzählt, dass der Bischof Thilo von Trotha, einer der bedeutendsten Theologen des Spätmittelalters, einen goldenen Ring besaß. Nachdem er diesen auf das Fensterbrett gelegt hatte, war er verschwunden. Der wütende Bischof ließ daraufhin seinen langjährigen Diener wegen Diebstahls hinrichten. Bedauerlicherweise fand sich der Ring später an einer ganz anderen Stelle wieder – nämlich in einem Rabennest. Als Erinnerung daran, kein vorschnelles Urteil im Zorn zu fällen, hält man seitdem einen Raben im Hof des Merseburger Schlosses. Inzwischen lebt der Rabe glücklicherweise artgerecht mit einem Partner in einer geräumigeren Voliere. Darüber hinaus gibt es in Merseburg noch weitere Sehenswürdigkeiten, so zum Beispiel:

  • das Merseburger Ständehaus
  • den Schlossgarten mit Orangerie
  • das Krumme Tor
  • den Eulenturm

Die Merseburger Zaubersprüche in der Forschung

Lesetipp: Mirja Dahlmann – Die althochdeutsche Zaubersprüche – zwischen Heidentum und Christentum. 2. Auflage. Meschede 2020.

Wir verlosen drei Exemplare des Buches. Hinterlasst ein Like beim Artikel auf der Zeitenreise-Facebookseite und erfahrt mehr über die faszinierende Welt der althochdeutschen Zaubersprüche. 😉 Teilnahmeschluss ist der 27. Dezember 2020.

Titelfoto Merseburg: Wolfgang Kubak 

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