Die Redewendung „ein Gruß aus Solingen“ bedeutet in der Regel, dass ein hochwertiger Dolch oder ein exzellentes Schwert in lebenswichtige Organe gestochen wird. Aber warum stehen Solinger Metallwaren in dem Ruf, besonders gut für Mord und Totschlag geeignet zu sein? Das liegt an den zahlreichen Schleifkotten, die sich seit dem 14. Jahrhundert an Bächen und Flüssen angesiedelt hatten. Insgesamt gab es rund 109 Betriebe, von denen 26 an der Wupper lagen. Heute geben der Balkhauser- und der Wipperkotten Einblick in das Gewerbe des Schleifers.
Auf den Spuren der Schleifer
Die im Bergischen Land mehr als reichlich vorhandene Wasserkraft ermöglichte den Handwerkern den mechanischen Antrieb der Polierscheiben und Schleifsteine. Bis ins 15. Jahrhundert oblag die Herstellung eines Messers oder eines Schwertes nur einem einzelnen Handwerker. Danach entwickelte sich eine Arbeitsteilung, die sich über das gesamte Solinger Stadtgebiet verteilte. Dies begann bei dem Schmied, der das Roheisen bearbeite, und führte zu dem Härter, der das Produkt widerstandsfähiger machte. Anschließend verlieh der Schleifer dem Stahl seine Härte und seinen Glanz. Der Schwertfeger vollendete den letzten Arbeitsschritt. Die Solinger Schleifer waren nicht angestellt, sondern frühneuzeitliche Freelancer, die Besitzer ihrer Produktionsmittel waren. Organisiert wurden die einzelnen Arbeitsschritte von einem Verleger. Als Verlagssystem bezeichnet man eine Produktionsart, bei der die Produktion an andere Orte „outgesourct“ und später geliefert wird. Die Anlieferung der Waren lag in der Verantwortung der sogenannten Liëwerfrauen.
Solinger Kotten: Schleifer und Lewerfrauen
Wer in Solingen ins Tal der Wupper (und wieder hinauf) wandert, hat meistens einen leichten Rucksack mit etwas Proviant dabei. Die Lewerfrau (Lieferfrau) legte diesen Weg mit einem 15 bis 25 Kilo schweren Korb auf dem Kopf zurück. Es wird berichtet, dass die Frauen, die aus den Kotten aus den Wupperbergen, zum Beispiel dem Balkhauser Kotten, kamen, die größten Lasten trugen. Regnete es, mussten sich die Lieferfrauen beeilen, denn durch die Feuchtigkeit konnte der Stahl Schaden nehmen. Das Wetter hatte einen großen Einfluss auf die Arbeit in den Kotten.
So mussten die Schleifer bei jedem Wetter über die schlecht ausgebauten Wege gehen, die zu ihren Arbeitsplätzen führten. Die Arbeitsräume waren schlecht beheizt, mit undichten Wänden und einem feuchten Raumklima. Den Rhythmus der Arbeit bestimmte das Wetter. In einem ungünstig verlaufenden Jahr lag die Arbeit der Schleifer rund vier Monate brach. Ein sehr trockener Sommer, Hochwasser oder ein frostiger Winter brachten die Arbeit im Kotten zum Erliegen, was für die Selbstständigen einen Verdienstausfall bedeutete. Obwohl dies ärgerlich war, bescherte die unberechenbare Natur den Solinger Schleifern eine Auszeit von der körperlich belastenden Arbeit. So war eine Staublunge eine typische Erkrankung im metallverarbeitenden Gewerbe. Auch Rheumatismus und Lungenentzündungen waren weit verbreitet, da die Schleifer in einer zugigen Umgebung arbeiteten. Die Schleifsteine waren mitunter eine tödliche Gefahr, da sie bei einer hohen Umdrehungszahl zerspringen und so die Karriere oder gar das Leben eines Handwerkers beenden konnten.
Museen an der Wupper: Wipper- und Balkhauser Kotten
Der Balkhauser Kotten ist einer der noch gut erhaltenen Kotten in Solingen, der für den Publikumsverkehr geöffnet ist. Er liegt im Tal der Wupper in Solingen-Glüder, umgeben von den überaus malerischen Wupperbergen. Das Gebäude ist im Besitz der Stadt, jedoch obliegt der Museumsbetrieb dem Kuratorium Balkhauser Kotten e.V. Der Eintritt ist frei. Führungen für bis zu 25 Personen sind in der Regel kostenpflichtig. Wer das Museum darüber hinaus unterstützen möchte, kann im Balkhauser Kottenladen hochwertige Messer und andere Schneidwaren erwerben. Darüber hinaus bietet der Kotten Getränke und typisch Bergische (und damit rustikale) Speisen wie Pferdewürste oder die Kottenbutter an.
Der Wipperkotten liegt an der Grenze zwischen Solingen und Leichlingen. Auch dieser Kotten liegt malerisch inmitten grüner Wiesen in einem Naturschutzgebiet sowie an einem Wanderweg, der zu weiteren attraktiven Zielen im Bergischen Land führt. Der äußere Kotten wird auch heute noch für das Schleifen von Messern genutzt. Auch diese historische Stätte wird als Museum geführt. Besuchern bietet sich die Möglichkeit, mehr über die Geschichte der Kotten zu erfahren und im Museumsladen Kunstgegenstände aus Edelstahl, Holz oder Glas zu erwerben. Wer etwas Härteres braucht, bekommt dort den berühmten Kottenkorn. In der Galerie entdecken Liebhaber von Kunst und Kultur wechselnde Ausstellungen oder haben die Gelegenheit, sich an Lesungen und Vorträgen zu delektieren.
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Titelfoto: Frank Vincentz
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