Die Wiedertäufer in Münster

Das heutige Münster ist eine weltoffene Studentenstadt in naturnaher Umgebung, die aufgrund ihrer interessanten Geschichte Besucher aus aller Welt anzieht. In der Zeit der Reformation war Münster jedoch Schauplatz der blutrünstigen Herrschaft der Wiedertäufer. Die Geschichte des Täuferreichs ist in der Stadt auch heute an vielen Orten noch sichtbar.

Die Wiedertäufer: ein Ende mit Schrecken

Wer um die Geschichte der Wiedertäufer in Münster weiß, den durchfährt ein eiskalter Schauer, wenn er über den Lambertiplatz schlendert. Direkt an der Kirche hängen drei Eisenkäfige, die an die Hinrichtung der drei Hauptakteure der Wiedertäuferbewegung in Münster erinnern. Bernhard Knipperdolling, Bernd Krechting und der selbsternannte König Jan von Leiden wurden an einem frostigen Januartag im Jahre 1536 auf schmerzhafte Art und Weise hingerichtet. Zunächst wurde den Verurteilten mit glühenden Zangen das Fleisch von den Körpern gerissen. Erst nach Stunden wurden die drei Deliquenten durch einen Dolchstoß erlöst und ihre sterblichen Überreste in eisernen Käfigen an die Lambertikirche gehängt. Was hatten die Männer getan, um eine solche Tortur zu verdienen?

Die Eisenkäfige an der Lambertikirche. Foto: Rüdiger Wölk CC BY-SA 2.5

Die Wiedertäufer: die Anfänge der Bewegung

1440 erfand Johannes Gutenberg den Buchdruck. Dies war eine Zäsur, denn zuvor lag das Monopol der Schriftsprache bei der Kirche. Als Martin Luther im Jahre 1521 auf der Wartburg die Bibel aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzte, konnte nun jeder, der des Lesens mächtig war, die Heilige Schrift selbst lesen und interpretieren. Dies führte dazu, dass zahlreiche Gelehrte und Laien die Bibel individuell auslegten, so zum Beispiel der in der Schweiz wirkende Zwingli. Von seiner Bewegung spaltete sich 1525 die Wiedertäufer ab, die die Taufe von Kindern ablehnten. Die Begründung war, dass sich nur ein Erwachsener bewusst für einen Glauben entscheiden könne. Sie galten als Querulanten und wurden von Zwingli vertrieben, woraufhin sie sich in den Niederlanden sowie am Ober-und Niederrhein niederließen.

Die Anfänge des Täuferreichs

Die Wiedertäufer, die sich selbst die „Gemeinde Christi“ nannten, lehnten sowohl Lutheraner, Katholiken und Zwinglianer ab, weil sie ihrer Meinung nach das Christentum verfälschten. Dadurch wurden sie rasch sehr unbeliebt und wurden in vielen Regionen verfolgt. In Münster fanden die Wiedertäufer jedoch ideale Bedingungen vor. Erst 1531 hatte sich die Reformation etabliert und der Bewegung mangelte es noch an Einigkeit. Bereits 1532 ließen sich 1400 Bürger der Stadt erneut taufen. Der spätere Täuferkönig Jan von Leiden wurde aus den Niederlanden nach Münster geschickt. Der gutaussehende und charismatische junge Mann war zuvor als Schneider, Gastwirt und Bänkelsänger tätig gewesen. Er spielte eine tragende Rolle dabei, die Bevölkerung von der nahenden Endzeit und von den neuen Regeln zu überzeugen. Er selbst pflegte während seiner Herrschaft einen hedonistischen Lebensstil.

Jan van Leiden tauft eine junge Frau. Im Torbogen stehen Bernd Krechting (links) und Berndhard Knipperdolling. Johann Karl Bähr (1840)

Wiedertäufer in Münster: Endzeitglaube und Polygamie

Nachdem der vorherige Kopf der Münsteraner Täuferbewegung Jan Matthys getötet worden war, nahm Jan von Leiden seinen Platz in Münster ein. Er führte das Programm seines Vorgängers fort.

  • alle Andersgläubigen sollten vor der Ankunft Christi vernichtet werden
  • Vergehen weltlicher und geistlicher Natur (zum Beispiel Prunksucht) wurden mit dem Tod bestraft.
  • Alle Bücher außer der Bibel wurden verboten.

Die Bevölkerung, die fest an die Apokalypse glaubte, nahm diese Verbote hin. Auch begann sich eine Art kollektive Verzückung zu entwickeln, bei der die Einwohner Münsters Visionen bekamen und öffentlich Buße taten. Da die Täuferbewegung besonders Frauen angesprochen hatte, gab es einen Frauenüberschuss in der Stadt. Mit Bezug auf das Alte Testament führte van Leiden die Vielweiberei (Polygynie) ein. Er selbst nahm sich 16 Ehefrauen, wobei er eine von ihnen persönlich hinrichtete.

Der Abstieg der Wiedertäufer in Münster

Dass der Bischof Franz von Waldeck über diese chaotischen Zustände wenig erfreut war, dürfte klar sein. Zudem hatten sich die Wiedertäufer nicht nur gegen religiöse Dogmen, sondern auch gegen die Gepflogenheiten von Herrschaft und Besitz aufgelehnt. Der Belagerung hielten die renitenten Aufständischen rund 16 Monate stand. Das rigide System und der daraus entstandene Hunger führten dazu, dass zwei Überläufer gegnerische Truppen in die Stadt führten. Dies führte zu einem Blutbad und der Hinrichtung der drei Haupträdelsführer der Rebellion. Münster wurde im Anschluss wieder katholisch. Was bleibt ist die Frage, ob die Zurschaustellung der Käfige an der Lambertikirche noch zeitgemäß ist. Auf jeden Fall gemahnen sie an die volatile Natur des Menschen. Im Vorwort des Romans Kristus sagt der Autor Robert Schneider: „Idealisten wurden zu Fanatikern, wenn ihnen Macht gegeben war. […] Sie suchten eine bessere Welt und hinterließen sie schlechter als zuvor. Sie wollten das Paradies und brachten die Hölle.“

Der Lambertibrunnen und der Prinzipialmarkt. Foto: Florian Adler CC BY-SA 3.0

Weitere Sehenswürdigkeiten in Münster

  • Das Historische Rathaus in Münster (Schauplatz des Westfälischen Friedens)
  • der Prinzipialmarkt
  • der Lambertibrunnen
  • Burg Hülshoff

Lesetipp: Robert Schneider: Kristus. Berlin 2004.
Speisetipp: Fegefeuer – eine Mittelalterkneipe in Münster.

Titelfoto: Säule mit Skulpturen der Wiedertäufer am Historischen Rathaus. Dietmar Rabich CC BY-SA 4.0

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